
22. September 2023, Tägliche Marktsicht
SNB belässt Leitzins unverändert
Trotz bald wieder anziehender Teuerung drehte die Schweizerische Nationalbank gestern nicht an der Zinsschraube.
Im Fokus
Die Schweizerische Nationalbank hat an ihrer gestrigen Sitzung für uns überraschend davon abgesehen, ihren Leitzins weiter zu erhöhen. Sie beliess den Richtsatz für die Schweizer Zinsen bei 1.75%. Insbesondere nach dem Zinsschritt der Europäischen Zentralbank von letzter Woche war eine letzte Zinserhöhung durch die SNB weitgehend erwartet worden. Zudem geht die Nationalbank im kommenden Jahr von einer Inflation von über 2% aus, was für eine Zinserhöhung gesprochen hätte.
Thomas Jordan, der Präsident des SNB-Direktoriums, begründete den Entscheid einerseits mit einer Eintrübung des Wirtschaftsausblicks, andererseits mit der über die letzten Monate weiter zurückgekommenen Inflationsentwicklung. Tatsächlich lag die Inflation im August nur noch bei 1.6% im Jahresvergleich und damit wieder innerhalb des von der SNB definierten Zielbands von 0%-2%. Zwar dürfte die Inflation in den nächsten Monaten wegen den höheren Mieten und Energiepreisen erneut wieder über 2% ansteigen. Diese Inflationstreiber seien gemäss Thomas Jordan jedoch nicht durch geldpolitische Massnahmen korrigierbar, weshalb man sich auf den mittelfristigen Inflationsdruck konzentriere, der weiter abgenommen habe. Die neue bedingte Inflationsprognose der SNB fällt ab 2025 dann auch etwas tiefer aus als noch im Juni. Nach einer durchschnittlichen Inflationsrate von 2.2% im Jahr 2024 erwartet die SNB für 2025 durchschnittliche Preissteigerungen von 1.9%.
In ihrer geldpolitischen Lagebeurteilung bemerkte die Schweizerische Nationalbank zwar, dass eine weitere Straffung der Geldpolitik nötig werden könnte. Aufgrund der sich weiter abschwächenden Konjunktur dürfte sich das Fenster für weitere Zinserhöhungen unserer Meinung nach nun jedoch geschlossen haben. Dies ist schade, hätte die Schweizer Wirtschaft mit einer letzten kleinen Zinserhöhung von 0.25% in unseren Augen durchaus umgehen können. Zudem hätte es das Vertrauen in die Schweizerische Nationalbank gestützt, wenn die SNB weiterhin entschieden gegen den nach wie vor hohen Inflationsdruck vorgegangen wäre.
Aktienmarkt Schweiz
SMI: -0.62%, SPI: -0.60%, SMIM: -1.08%
Der Schweizer Aktienmarkt drehte, nachdem die SNB überraschend auf eine weitere Zinserhöhung verzichtet hatte, zuerst ins Plus, verlor danach aber kontinuierlich an Boden. Belastet wurde die Stimmung vom US-Zinsentscheid am Vortag. Das Fed signalisierte eine weitere Zinserhöhung in diesem Jahr und vor allem, dass die Zinsen länger hoch bleiben könnten. Der Leitindex SMI verlor schliesslich 0.6%. Von den 20 Blue Chips im SMI schlossen sechs mit positivem Vorzeichen. Ein noch stärkeres Abfallen des Leitindexes wurde vor allem vom Index-Schwergewicht Nestlé (+1.1%) verhindert, welches das Tableau anführte. Ebenfalls fester gingen Swisscom (+0.9%), Sonova (+0.9%), Logitech (+0.2%), Zurich Insurance (+0.1%) und SwissRe (+0.02%) aus dem Handel. Tagesverlierer waren Lonza (-3.3%), Partners Group (-3.2%), und Alcon (-2.1%). Lonza stand weiterhin unter Druck, nachdem die anlässlich der Halbjahreszahlen revidierte Jahresprognose bestätigt wurde. Eine explizite Bestätigung der Mittelfristprognose blieb jedoch aus. Der Baustoffkonzern Holcim (-0.8%) gab anlässlich eines Investorentages zum Thema Dach bekannt, für sein Dach-Geschäft bis 2026 ein Umsatz von USD 6 Mrd. erreichen zu wollen. Der operative Gewinn soll dann mehr als USD 1.3 Mrd. betragen. Im breiten Markt fielen Idorsia (-13.2%) auf, die erneut wegen der knappen Kapitalsituation unter Druck standen.
Aktienmärkte Europa
EuroStoxx50: -1.48%, DAX: -1.33%
Die europäischen Aktienmärkte litten ebenfalls stark unter den höher erwarteten US-Zinsen. Der länderübergreifende EuroStoxx50 schloss 1.5% tiefer und der deutsche DAX gab 1.3% nach. Auf Sektorenebene schlossen alle Branchen mit negativem Vorzeichen. Am besten halten konnten sich die Bereiche nichtzyklischer Konsum, Kommunikationsdienste und Finanzen. Am stärksten unter Abgabedruck standen hingegen der zyklische Konsum, Grundstoffe und Gesundheit.
Aktienmärkte USA
Dow Jones: -1.08%, S&P500: -1.64%, Nasdaq: -1.82%
Die US-Aktienmärkte litten weiter unter dem Fed-Zinsentscheid vom Mittwoch und in der Folge unter anziehenden US-Staatsanleihen-Renditen. Folglich geriet der zinssensitive und technologielastige Nasdaq mit einem Minus von 1.8% am stärksten unter Druck. Der marktbreite S&P500 verlor 1.6% und der US-Leitindex DowJones 1.1%. Unter den Sektoren verloren die defensiven Bereiche Gesundheit, Versorger und nichtzyklischer Konsum am wenigsten. Die grössten Abgaben verzeichneten hingegen die Sektoren Immobilien, zyklischer Konsum und Grundstoffe. Bei den Einzelwerten stand der Netzwerkspezialist Cisco (-2.8%) im Fokus. Das Unternehmen plant, für USD 28 Mrd. den Datenspezialisten Splunk (+22.2%) zu übernehmen. Die Übernahme soll bis Ende des 3. Quartals 2024 abgeschlossen werden. Ebenfalls unter Druck stand Broadcom (-1.5%), nachdem Medien berichteten, dass Alphabet (-1.3%) keine KI-Chips mehr vom Unternehmen beziehen will, sondern beabsichtigt diese selbst zu fertigen.
Kapitalmärkte
Renditen 10 Jahre
USA: 4.495%; DE: 2.732%; CH: 1.004%
Die längerfristigen US-Zinsen sind nach dem Fed-Zinsentscheid vom Mittwoch auch gestern weiter angestiegen. Die Rendite des 10-jährigen US-Treasury notierte zeitweise gar über 4.50% und damit auf dem höchsten Stand seit der Finanzkrise 2008. Bei den Schweizer Zinsen sorgte hingegen der gestrige SNB-Zinsentscheid für einen kleinen Rückschritt. Der für viele Marktteilnehmer überraschende Entscheid, den Leitzins trotz wieder ansteigender Inflationsraten nicht weiter anzuheben, drückte auf die Zinsen und die Rendite der 10-jährigen Eidgenossenanleihe fiel teilweise wieder unter die Marke von 1% zurück
Währungen
US-Dollar in Franken: 0.9046
Euro in US-Dollar: 1.0655
Euro in Franken: 0.9638
Der Zinsentscheid der Schweizerischen Nationalbank schwächte den Schweizer Franken am gestrigen Handelstag deutlich. So war die Mehrheit der Marktteilnehmer von einem weiteren Zinsschritt ausgegangen. Der Franken verlor gegenüber sämtlichen G10-Währungen an Terrain. Der US-Dollar überschritt folglich erstmals seit Juni wieder die Marke von 0.90 Schweizer Franken pro Dollar.
Rohwarenmärkte
Ölpreis WTI: USD 90.35 pro Fass
Goldpreis: USD 1'924.53 pro Unze
Der Ölpreis der Sorte West Texas Intermediate stieg am gestrigen Handelstag wieder über die Marke von 90 US-Dollar das Fass an. Ein Grund für den neuerlichen Anstieg des Ölpreises war die Entscheidung der russischen Regierung, die Ausfuhr von Benzin und Diesel zu verbieten, um den heimischen Treibstoffmarkt zu stabilisieren.
Wirtschaft und Konjunktur
USA: Philadelphia Fed Geschäftsklima (Sep.)
letzte: 12.0; erwartet: -1.0; aktuell: -13.5
Der gestern veröffentlichte Geschäftsklimaindex der Philadelphia Fed, welcher die Aktivität im Industriesektor misst, hat sich gegenüber dem Vormonat deutlich stärker als erwartet verschlechtert. Weiterhin vermelden bei den wichtigen Subindizes «Auftragseingang» und «Offene Aufträge» noch immer deutlich mehr Unternehmen einen Rückgang.
USA: Vorlaufende Konjunkturindikatoren (Aug.)
letzte: -0.3%; erwartet: -0.5%; aktuell: -0.4%
Der Index der vorlaufenden Indikatoren, welcher vom Conference Board erhoben wird, sank im August um weitere 0.4%. Der Sammelindex setzt sich aus zehn Frühindikatoren, wie beispielsweise den Neuaufträgen in der Industrie zusammen. Bei den Frühindikatoren war im August eine weit verbreitete Schwäche festzustellen, die auf eine Verschlechterung der Bedingungen auf dem Arbeitsmarkt, im verarbeitenden Gewerbe sowie dem Konsumentenvertrauen hindeutet. Damit dürfte sich die wirtschaftliche Situation in den USA gegen Jahresende weiter eintrüben.
Patrick Häfeli

8021 Zürich

Tobias Kistler

8021 Zürich
