
25. September 2023, Tägliche Marktsicht
Notenbanken haben wieder Überraschungspotenzial
Die Zeiten der «Forward Guidance» sind definitiv vorbei. Geldpolitische Entscheide bergen wieder Überraschungspotenzial und das ist gut so! Vor allem für Anlegerinnen und Anleger ergeben sich neue Chancen.
Im Fokus
Noch keine Woche ist es her, als wir von der Schweizerischen Nationalbank (SNB) am Donnerstag eine weitere Leitzinserhöhung um 0.25% auf 2.00% erwartet haben. Wir wurden eines Besseren belehrt. Die SNB beliess den Leitzins unverändert, obwohl sie 2024 weiterhin eine Inflationsrate über 2% erwartet. Sie begründete dies vor allem damit, dass der inflationäre Druck durch die Rohstoffpreise ausgelöst werde und darum mit geldpolitischen Massnahmen nichts erreicht werden könnte. Ebenfalls erkennt die SNB im rückläufigen Inflationstrend eine grundsätzlich schwächere Preisdynamik, was offenbar gegen eine weitere Zinserhöhung sprach. Zukünftig lässt sich die SNB wieder alles offen. Gleich agieren die US-Notenbank Fed und die EZB. Auch sie lassen sich in Zukunft alles offen.
Die Notenbanken erhöhen durch dieses Vorgehen ihren Handlungsspielraum. Sie festigen so ihre Unabhängigkeit und befreien sich aus der Pflicht, den Finanzmärkten stets ein Sicherheitsnetz zu spannen. Ebenfalls wenden sie sich so wieder ihrer eigentlichen Aufgabe zu, die Preisstabilität zu garantieren. Dies ist ein wichtiger und notwendiger Schritt in Richtung «Normalität». Seit der Finanzkrise und im Zuge von Negativzinsen war die Funktion des Zinses als Preis für Geld praktisch ausser Kraft gesetzt, was doch zu einigen Blasen oder zumindest Fehlallokationen geführt hatte. Dass diese Phase zu Ende geht, ist langfristig eine überfällige und positive Entwicklung.
Für Anlegerinnen und Anleger bedeutet dies, dass Obligationen wieder attraktiver geworden sind. Weil aber die Zinskurve eher flach ist, werden lange Laufzeiten (noch) nicht genügend entschädigt. Für die Aktienmärkte bedeuten die nächsten Wochen eine Herausforderung. Einerseits muss der Markt sich wieder auf eine Erwartung an die zukünftige Geldpolitik einigen. Auf der anderen Seite steckt die Weltkonjunktur in einer Schwächephase, die noch nicht ausgestanden ist. Es lohnt sich, weiterhin in Aktien investiert zu bleiben. Allerdings bietet sich eine defensivere Ausrichtung bei der Titel- und Länderselektion an.
Audio-Podcast der SGKB
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Aktienmärkte
US-Aktienmärkte
Dow Jones: -0.31%, S&P500: -0.23%, Nasdaq: -0.09%
Europäische Aktienmärkte
EuroStoxx50: -0.13%, DAX: -0.09%, SMI: -0.63%
Asiatische Märkte
Nikkei 225: +0.90%, HangSeng: -1.30%, S&P/ASX 200: -0.08%
Letzte Woche waren die Aktienmärkte im Bann der Notenbankentscheide. Zwar signalisieren die Notenbanken deutlich, dass sie in Sachen «restriktive Geldpolitik» einen Gang runterschalten möchten, was für die Aktienmärkte eigentlich eine gute Nachricht ist. So haben weder die Bank of England, die Fed oder die SNB ihre Zinsen erhöht. Auf der anderen Seite haben sie aber die Möglichkeit einer schnellen Trendwende hin zu einer expansiveren Geldpolitik zumindest kommunikativ auf die lange Bank geschoben. Für das kommende Jahr stehen in den USA anstatt vier nur noch zwei Zinssenkungen im Raum. Diese Erwartung in Kombination mit gemischten Wirtschaftsdaten wird die Aktienmärkte noch etwas länger belasten.
Der S&P 500 verlor letzte Woche 2.29%. Die europäischen Aktien schlossen mit einem Minus von knapp 2%, während der Swiss Performance Index die Woche mit einem Minus von 1.46% abschloss.
Nach einer intensiven Notenbankwoche stehen diese Woche wieder die Konjunkturdaten im Vordergrund. In den USA stehen Zahlen zum US-Häusermarkt an. Diese Zahlen sind interessant, weil sie Rückschlüsse auf die US-Binnenkonjunktur und den Einfluss der Zinserhöhungen zulassen. Das wiederum könnte die Zinserwartungen verschieben und über diesen Kanal auch die Aktienmärkte beeinflussen. In der Eurozone stehen Inflationsdaten auf der Agenda.
Kapitalmärkte
Renditen 10 J: USA: 4.4601%; DE: 2.739%; CH: 1.069%
Die Zinsentscheide der Notenbanken haben etwas Bewegung ins Zinsgefüge gebracht. Die langen Zinsen sind tendenziell etwas angestiegen, vor allem in den USA haben die Aussagen von Fed-Präsident Jerome Powell die Zinserwartungen verschoben und für höhere Zinsen am langen Ende gesorgt. In Grossbritannien glitten die Zinsen für 10-jährige Staatspapiere zurück, nachdem die Bank of England von Zinserhöhungen abgesehen hatte. Offenbar war der Einfluss des Entscheids auf die Zinserwartungen kleiner als im US-Markt.
SNB hält die Füsse still
Gegen Ende des Jahres rechnet die Schweizerische Nationalbank wieder mit einer steigenden Inflationsrate, die auch im Jahr 2024 über 2% notieren dürfte. Dennoch war ihr dies nicht Grund genug, ihren Leitzins ein weiteres Mal anzuheben. Mehr dazu finden Sie in unserer neusten Ansicht zum Thema Zinsen.
Währungen
US-Dollar in Franken: 0.9084
Euro in US-Dollar: 1.0645
Euro in Franken: 0.9669
Der SNB-Zinsentscheid hatte den Franken kurzfristig «belastet». Aber am grundlegenden Trend hin zu einem stärkeren Franken hat sich auch mit dem Entscheid der SNB nichts geändert. Der Franken hat zwar eine negative Zinsdifferenz zum Euro und US-Dollar, aber das Vertrauen in den Franken und die Devisenverkäufe der SNB stärken den Franken weiterhin. Der US-Dollar könnte sich aufgrund der neuen Erwartungen an die US-Geldpolitik etwas stabilisieren, es werden weniger Zinssenkungen 2024 erwartet als noch vor einer Woche. Aber gerade der Euro wird weiterhin von der schwierigen Konjunkturlage und der Quadratur des Kreises in der Geldpolitik belastet. Für die EZB ist es fast nicht möglich, alleine mit geldpolitischen Entscheiden den grossen Unterschieden innerhalb der Eurozone gerecht zu werden.
Rohstoffmärkte
Ölpreis WTI: USD 90.42 pro Fass
Goldpreis: USD 1'922.31 pro Unze
Der Ölpreis behält trotz Konjunktursorgen Rückenwind, zumindest von Investorenseite. In den USA erhöhen einige Marktbeobachter ihre Prognosen und gehen wegen eines rückläufigen Angebots von einem Preis bis 100 US-Dollar pro Fass aus. Das ist etwas hoch gegriffen, aber die Marke von 90 US-Dollar das Fass kann der Ölpreis gut halten und er hat auch unserer Meinung nach noch etwas Luft nach oben, aber die Betonung liegt auf «etwas».
Wirtschaft und Konjunktur
USA: S&P Global US Manufacturing PMI (September)
letzter: 50.2; erwartet: 50.4; aktuell: 50.1
Die Aussichten für die US-Wirtschaft sind gemischt, aber robust. Weiterhin eher schwach unterwegs ist das verarbeitende Gewerbe wie ein Blick auf dessen Einkaufsmanagerindex zeigt. Mit einem Wert von 48.9 signalisiert er auch für die kommenden drei Monate eine schwache Entwicklung. Etwas besser zeigt sich die Entwicklung im Dienstleistungssektor, wo der Index eine schwache Expansion signalisiert. Negativ fällt auf, dass er unter den Erwartungen ausfiel.
Caroline Hilb Paraskevopoulos

8021 Zürich
