27. Oktober 2023, Tägliche Marktsicht

EZB belässt Leitzinsen unverändert

Nach zehn Zinserhöhungen in Folge verzichtete die Europäische Zentralbank gestern erwartungsgemäss auf einen weiteren Zinsschritt und beliess die Leitzinsen unverändert. Auf Unternehmensseite steht heute das Quartalsergebnis von Holcim im Fokus.

Aktienmarkt Schweiz

SMI: -0.32%, SPI: -0.45%, SMIM: -1.59%

Der Schweizer Aktienmarkt zeigte sich nach den Erholungsversuchen der letzten zwei Tage wieder von der schwachen Seite und verbuchte Kursverluste. Der Schweizer Leitindex SMI gab um 0.3% nach. Neben den hohen langfristigen US-Renditen sorgten schlecht aufgenommene Unternehmenszahlen aus den USA für Druck. Der EZB-Zinsentscheid führte hingegen zu keinen Impulsen. Von den 20 Werten schlossen neun Werte im positiven Bereich. An der Tabellenspitze stand Givaudan (+2.0%), dahinter folgten die bauwirtschaftssensitiven Geberit (+0.5%) und Holcim (+0.5%). Die Indexschwergewichte zeigten sich gestern von der uneinheitlichen Seite. Während Nestlé 0.3% im Plus schloss, gaben Roche (-0.1%) und Novartis (-0.9%) nach. Im Fokus standen die Aktien des Zahnimplantateherstellers Straumann, welche gestern 10.0% an Wert verloren. Grund dafür war ein schwaches Zahlenset des US-Konkurrenten Align Technology, welches die Markterwartungen verfehlte, sowie eine negative Brokerstudie. Am Tabellenende stand mit dem Augenheilkundekonzern Alcon (-3.0%) und Sonova (-1.1%) weitere Gesundheitswerte. Der Computerzubehörhersteller Logitech (-2.1%) büsste nach den Vortagesgewinnen gestern wieder an Wert ein. Bucher konnte trotz einem hinter den Erwartungen liegenden Zahlenset 0.3% im Plus schliessen. Am breiten Markt verloren die Aktien von Gurit 5.1%, nachdem der deutsche Energiekonzern Siemens Energy nach Verlusten im Windgeschäft Kreditgarantien vom Deutschen Bund forderte.

Aktienmärkte Europa

EuroStoxx50: -0.59%, DAX: -1.08%

Die europäischen Aktienmärkte notierten gestern mehrheitlich im Minus. Einzig der italienische FTSE MIB konnte um 0.3% höher schliessen. Der EZB-Zinsentscheid, bei dem wie erwartetet keine Veränderung der Leitzinsen vorgenommen wurde, sorgte für keine grossen Impulse. Die stärksten Kursverluste verbuchte der deutsche DAX (-1.1%). Der Kurssturz von Siemens Energy mit einem Minus von 35.5% zog den gesamten Index nach unten. Siemens Energy ist nach Verlusten im Windgeschäft mit dem deutschen Bund in Gesprächen, wonach dieser Kreditgarantien übernehmen könnte. Auf Sektorenebene schwangen die Bereiche Grundstoffe, Immobilien und Technologie obenauf. Unterdurchschnittlich zeigten sich hingegen die Aktien aus den Bereichen zyklischer Konsum, Gesundheit und Industrie.

Aktienmärkte USA

Dow Jones: -0.76%, S&P500: -1.18%, Nasdaq: -1.76%

Die amerikanischen Aktienmärkte schlossen an den schwachen Vortag an und beendeten den Handelstag auch gestern im Minus. Insbesondere der technologielastige Nasdaq (-1.8%) verlor im Zuge enttäuschender Quartalsberichte von US-Technologiewerte deutlich an Wert, während die Standardwerte weniger nachgaben. Der US-Leitindex Dow Jones verbuchte ein Minus von 0.8%, während der marktbreite S&P500 (-1.2%) tiefer schloss. Nachdem Alphabet am Mittwoch um 9.5% absackte, verlor Meta gestern 3.7%. Das Zahlenset lag zwar über den Markterwartungen, jedoch antizipiert Meta aufgrund der wirtschaftlichen Unsicherheiten nun, dass die Werbeausgaben 2024 tiefer ausfallen könnte. IBM avancierte um 4.9%. Das besser als erwartete Zahlenset verlieh Rückenwind. Der Hersteller von transparenten Zahnspangen Align Technologys wurde gestern auf Talfahrt geschickt. Ein gekappter Jahresausblick aufgrund einer nachlassenden Nachfrage sorgte für deutliche Kursverluste von 24.9%.

Unternehmensberichte

Holcim wies im 3. Quartal 2023 einen 8.8% tieferen Umsatz von CHF 7.34 Mrd. aus. Die Verkäufe des operativen Zementgeschäfts in Indien und Brasilien waren dafür verantwortlich. Organisch betrug das Wachstum 4.3%. Trotz Umsatzrückgang konnte die Profitabilität weiter gesteigert werden. Der wiederkehrende EBIT nahm um 3.1% auf CHF 1.6 Mrd. zu. Dies trotz negativen Währungseffekten und einer schwächeren Nachfrage in einigen Märkten. Der Jahresausblick beim wiederkehrenden EBIT wird aufgrund der breit abgestützten Wachstumstreiber angehoben und bei über 17% gesehen. Zuvor wurden 16% angestrebt. Die übrigen Jahresziele, wonach ein organisches Umsatzwachstum von mehr als 6% erzielt werden soll, sowie der wiederkehrende EBIT organisch um mehr als 10% wachsen soll, wurden bestätigt. Holcim übertrifft mit dem Zahlenset auf Stufe EBIT und liegt beim Umsatz leicht darunter.

Amazon konnte im 3. Quartal 2023 den Umsatz um 13% auf USD 143.1 Mrd. steigern. Das Nordamerikasegment wuchs um 11% auf USD 87.9 Mrd., während das internationale Geschäft um 16% auf USD 32.1 Mrd. anzog. Die Umsätze im Cloudgeschäft (AWS) konnten um 12% auf USD 23.1 Mrd. zulegen. Der operative Betriebsgewinn konnte mehr als vervierfacht werden und kam bei USD 11.2 Mrd. zu liegen. Insgesamt konnte der Reingewinn mehr als verdreifacht werden und erreichte USD 9.9 Mrd. Fürs 4. Quartal rechnet Amazon mit einem Umsatz zwischen USD 160 bis 167 Mrd. und einem operativen Betriebsgewinn in der Bandbreite von USD 7 bis 11 Mrd. Mit dem vorliegenden Zahlenset übertraf Amazon die Markterwartungen.

Intel verbuchte im 3. Quartal im Vorjahresvergleich einen Umsatzrückgang von 8% auf USD 14.2 Mrd. Das Computersegment nahm um 3% auf USD 7.9 Mrd. ab, während der Umsatz mit Datenzentren und AI um 10% auf USD 3.8 Mrd. rückläufig war. Fürs 4. Quartal stellt der Konzern wieder ein Umsatzwachstum in Aussicht. Der Umsatz wird in der Bandbreite von USD 14.6 bis 15.6 Mrd. erwartet und der Gewinn je Aktie wird bei 0.23 erwartet. Intel übertrifft mit dem Zahlenset und Ausblick die Markterwartungen.

Merck & Co erhöhte mit der Publikation der 3. Quartalszahlen den Jahresausblick. Neu wird der Umsatz in der Bandbreite von USD 59.7 bis USD 60.2 Mrd. gesehen. Der Ausblick wird aufgrund der hohen Nachfrage nach dem wichtigen Krebsmedikament, Keytruda, das 40% zum Umsatz beiträgt, sowie einem Covid-Medikament erhöht. Der Umsatz kam 7% höher bei USD 16.0 Mrd. zu liegen. Der bereinigte Gewinn je Aktie lag indes bei USD 1.86. Das Zahlenset lag insgesamt über den Erwartungen und die Aktie legte im gestrigen Handel 1.9% zu.

Kapitalmärkte

Renditen 10 Jahre
USA: 4.860%; DE: 2.858%; CH: 1.073%

Die Rendite der richtungsweisenden 10-jährigen US-Staatsanleihe ist im gestrigen Handelsverlauf trotz besser als erwartet ausgefallenen Daten zum US-Wirtschaftswachstum wieder etwas zurückgeglitten. Der Zinsentscheid der Europäischen Zentralbank fiel hingegen wie erwartet aus und hatte keinen spürbaren Einfluss auf die Kapitalmärkte.

Währungen

US-Dollar in Franken: 0.8989
Euro in US-Dollar: 1.0567
Euro in Franken: 0.9497

An den Devisenmärkten blieb es gestern verhältnismässig ruhig. Der EZB-Zinsentscheid hatte kaum Einfluss auf die Währungskurse. Auch die erfreulichen Daten zum US-Wirtschaftswachstum beflügelten den US-Dollar kaum.

Rohwarenmärkte

Ölpreis WTI: USD 84.70 pro Fass
Goldpreis: USD 1'987.24 pro Unze

Die trübe Stimmung an den Aktienmärkten sowie die neusten US-Lagerdaten belasteten gestern den Ölpreis. Gemäss US-Energieministerium sind die Lagerbestände an Rohöl in den USA vergangene Woche überraschend um 1.4 Millionen Fass angestiegen, erwartet wurde hingegen ein Rückgang um 0.5 Millionen Fass.

Wirtschaft und Konjunktur

Eurozone: EZB-Hauptrefinanzierungssatz
letzter: 4.50%; erwartet: 4.50%; aktuell: 4.50%

Eurozone: EZB-Einlagezinssatz
letzter: 4.00%; erwartet: 4.00%; aktuell: 4.00%

Nach zehn Zinserhöhungen in Folge verzichtete die Europäische Zentralbank gestern erwartungsgemäss auf einen weiteren Zinsschritt und beliess die Leitzinsen unverändert. Dies macht Sinn, hat sich die europäische Konjunktur zuletzt doch deutlich eingetrübt und der Preisdruck hat merklich nachgelassen. Allerdings liegt die Inflationsrate mit 4.3% nach wie vor klar über dem mittelfristigen 2%-Ziel der Europäischen Zentralbank. Gemäss EZB-Präsidentin Christine Lagarde notieren die Leitzinsen mittlerweile jedoch auf einem Niveau, das – wenn es lange genug aufrechterhalten wird – eine Rückkehr der Inflation in den Zielbereich sicherstellt. Man werde jedoch bei der Festlegung der angemessenen Höhe und Dauer das restriktiven Niveaus weiterhin einen datengestützten Ansatz verfolgen und von Sitzung zu Sitzung entscheiden. Wir gehen jedoch davon aus, dass der Zinsgipfel in der Eurozone erreicht ist. Aufgrund der nur langsam sinkenden Inflation erwarten wir aber keine schnellen Zinssenkungen im Euroraum.

USA: Bruttoinlandprodukt 3. Quartal (QoQ, annualisiert)
letzte: 2.1%; erwartet: 4.5%; aktuell: 4.9%

Die US-Wirtschaft ist gemäss einer ersten Schätzung im dritten Quartal annualisiert um 4.9% und damit deutlich stärker als erwartet gewachsen. Gegenüber dem zweiten Quartal deutlich zugelegt hat insbesondere das Wachstum des privaten Konsums, welches für 2.7% des Wachstums verantwortlich. Damit ist der private Konsum weiterhin eine tragende Stütze der amerikanischen Wirtschaft. Auch die Investitionen von Unternehmen und die Staatsausgaben haben im dritten Quartal zum Wachstum beigetragen. Die jüngsten Zahlen zeigen, dass sich die US-Wirtschaft trotz starker Zinserhöhungen weiterhin sehr robust entwickelt.

Angela Truniger

Finanzanalystin
Stauffacherstrasse 41
8021 Zürich
Ansicht vom Gebäude der Niederlassung der St.Galler Kantonalbank in Zürich

Patrick Häfeli

Senior Strategieanalyst Fixed Income
Stauffacherstrasse 41
8021 Zürich
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