
16. Oktober 2023, Tägliche Marktsicht
Die Finanzmärkte schauen nicht nach Israel
Politische Ereignisse wecken kurzfristige Ängste. Auf die Finanzmärkte haben sie jedoch nur einen nachhaltigen Effekt, wenn sie die Aussichten für die Weltwirtschaft stark verändern. Wie zeigt sich die Lage im aktuellen Konflikt zwischen Israel und den islamistischen Hamas?
Im Fokus
Die Ereignisse in Israel beherrschen die News-Sendungen und die Internet-Portale. An den Finanzmärkten sind sie bisher nur ein Randthema, obschon vielerorts die Gefahr einer neuen Erdölkrise heraufbeschworen wird. Der Erdölpreis ist zwar gestiegen, hat damit aber nur einen Teil der Verluste der Vorwoche wettgemacht. Die sicheren Häfen wie das Gold, die US-Treasuries und der Franken haben profitiert. Der Blick auf ihre Charts ist für Schreckensszenarien aber wenig geeignet. Die Preisbewegungen sind nur Zuckungen, wie sie an den Finanzmärkten regelmässig vorkommen. Die Aktienmärkte haben gar positiv reagiert. Sie erfreuen sich an den wieder tieferen Zinsen.
Politische Ereignisse wecken kurzfristige Ängste. Auf die Finanzmärkte haben sie jedoch nur einen nachhaltigen Effekt, wenn sie die Aussichten für die Weltwirtschaft stark verändern. Sowohl Israel und erst recht der Gazastreifen sind wirtschaftlich nicht die grossen Treiber, dafür ist ihre Wirtschaftsleistung zu gering. Das gleiche gilt für die Region des Nahen und Mittleren Ostens als Ganzes. Einzig über den Export von Erdöl und Flüssigerdgas hat die Region einen wirtschaftspolitischen Hebel. Dazu müsste sich der Konflikt auf den Iran, Saudi-Arabien oder Katar ausweiten. Dafür gibt es bisher keine Anzeichen.
Vergleiche mit der Erdölkrise 1973 machen wenig Sinn. Obschon Erdöl- und Erdgas nach wie vor wichtige Energieträger sind, ist die Abhängigkeit der Wirtschaft von ihnen heute deutlich geringer. Zudem sind die in der Opec zusammengeschlossenen Förderländer nicht mehr die einzigen Grossproduzenten. Die USA versorgen sich selber mit Erdöl. Öl und Gas aus der Nordsee tragen auch zu einem besseren Marktgefüge bei. Dass ein allfälliger starker Anstieg der Energiepreise nicht spurlos an den Unternehmen und Haushalten vorbeigehen würde, haben die Folgen des Einmarsches der Russen in die Ukraine im letzten Jahr gezeigt. Viele Länder haben sich aber rasch angepasst und neue Lieferquellen erschlossen. Der prognostizierte Fall in die tiefe Rezession ist auch ausgeblieben. Der Preis für Erdöl und erst recht für Erdgas befindet sich deutlich unter dem Niveau des ersten Halbjahres 2022. Entsprechend gering ist die Gefahr, dass die Inflation wieder in Höhen steigt, die wir 2022 gesehen haben.
Sein Portfolio auf die Vorgänge in Israel auszurichten, ist daher nicht opportun. Die Risiken einer Eskalation völlig zu negieren, wäre auf der anderen Seite auch naiv. Wichtig ist in diesem Umfeld der Unsicherheit, in dem wir uns schon seit ein paar Jahren befinden, sich seine Handlungsfreiheit zu bewahren. Dass die Titel im Portfolio auch in Phasen von Marktturbulenzen liquide gehandelt werden können. ist besonders wichtig. Als Kern des Portfolios deshalb lieber grosskapitalisierte Aktien statt den neuesten Highflyer. Die Aktien werden ergänzt durch stabilisierende Positionen wie Obligationen mit guter Bonität und etwas Gold. Als Schweizer Investor will ich zudem einen hohen Anteil an Schweizer Franken. Damit wird man auch durch die gegenwärtige Krise im Nahen Osten durchkommen.
Video-Podcast der SGKB
Die SNB hat ihren Leitzins Mitte September nicht erhöht. Das Fenster für zusätzliche Zinserhöhungen wurde damit wohl geschlossen. Warum unser Senior Zinsanalyst Patrick Häfeli dieser Meinung ist, erläutert er in seinem Video-Podcast.
Aktienmärkte
US-Aktienmärkte
Dow Jones: +0.12%, S&P500: -0.50%, Nasdaq: -1.23%
Europäische Aktienmärkte
EuroStoxx50: -1.48%, DAX: -1.55%, SMI: -0.72%
Asiatische Märkte
Nikkei 225: -1.93%, HangSeng: -0.43%, S&P/ASX 200: -0.31%
Der Ölpreis ist zum wichtigsten Treiber für die Aktienmärkte emporgestiegen. Sinkt der Ölpreis, steigen die Aktienkurse und umgekehrt. Manchmal ist die Welt an der Börse einfach, zu einfach. Der S&P 500 legte letzte Woche 0.45% zu. Die europäischen Aktien sanken 0.20%, während der Swiss Performance Index die Woche mit einem Plus von 0.55% abschloss.
Die Aktienmärkte werden weiterhin von einer Dreierseilschaft aus Inflationsentwicklung, Konjunkturaussichten und Geldpolitik vor sich hergetrieben. Das grosse Bild ist gemischt. Besser lässt sich die aktuelle Lage nicht umschreiben. Von zwei der drei Faktoren gibt es eher positive Meldungen. Die Inflation ist auf gutem Wege und in den letzten Monaten kontinuierlich gesunken. Der Trend stimmt, aber die effektive Höhe der Inflation ist nach wie vor kritisch. Im September ist der Ölpreis angestiegen, was die Inflationsrate zumindest temporär wieder nach oben drücken wird. Auch auf dem richtigen Wege, aber noch nicht am Ziel, ist die Kerninflation ohne die schwankenden Energiepreise. Diese hält sich wegen Zweitrundeneffekten und einer soliden Lage am Arbeitsmarkt hartnäckig hoch und könnte die Notenbanken noch einmal auf den Plan rufen. Hier liegt die Betonung allerdings auf „könnte“. Wir sind der Meinung, dass die Notenbanken nun den Zinsgipfel erklommen haben und es keine weiteren Zinserhöhungen mehr geben wird. Dieser Aspekt ist positiv für die Aktienmärkte. Demgegenüber fallen die Konjunkturdaten eher auf der schwachen Seite aus und die Talsohle im internationalen Handel ist noch nicht erreicht. Die vorausschauenden Konjunkturindikatoren aus der Eurozone, den USA und der Schweiz signalisieren weiterhin eine Abschwächung. Chinas Wirtschaft durchläuft eine konjunkturelle und strukturelle Schwächephase, weshalb sie die Weltwirtschaft nicht antreiben kann wie in der Vergangenheit. Deshalb kann es an den Aktienmärkten in den kommenden Wochen weiterhin zu erhöhten Kursausschlägen kommen.
Kapitalmärkte
Renditen 10 J: USA: 4.646%; DE: 2.737%; CH: 1.110%
Der Überfall der Hamas auf Israel hat die Stimmung an den Obligationenmärkten auf einen Schlag gedreht. Statt weiter auf steigende Zinsen zu setzen, ist nun die Flucht in die sicheren Staatsanleihen das Thema. Dabei wurde aber nur der starke Anstieg der Renditen der letzten Woche, der schwer zu erklären war, kompensiert.
Währungen
US-Dollar in Franken: 0.9014
Euro in US-Dollar: 1.0525
Euro in Franken: 0.9488
Der Franken und der «Sichere Hafen». Das haben wir doch schon mal gehört. Einmal mehr hat sich bestätigt, dass der Franken beim Auftreten einer Krise jeglicher Art gesucht wird. Für den Euro gilt das Gegenteil, weshalb er zum Franken unter die Marke von 95 Rappen gefallen ist.
Rohstoffmärkte
Ölpreis WTI: USD 87.69 pro Fass
Goldpreis: USD 1'920.29 pro Unze
Was für den Franken gilt, gilt auch für das Gold. Vor einer Woche haben sich die Investoren noch vom Gold verabschiedet, jetzt wollen sie es wieder haben. Der Goldpreis ist innert kurzer Zeit um mehr als 100 US-Dollar pro Unze gestiegen.
Wirtschaft
USA: U. Michigan Konsumentenvertrauen (Oktober)
letztes: 68.1; erwartet: 67.0; aktuell: 63.0
Die Amerikanerinnen und Amerikaner haben wieder Angst vor steigenden Preisen. Laut der Umfrage der University of Michigan ist ihre Inflationserwartung für die nächsten zwölf Monate auf den höchsten Stand seit dem Frühjahr gestiegen. Höhere Benzinpreise sind dabei der wichtigste Faktor. Die Frage ist, ob die Befürchtungen das effektive Kaufverhalten stark beeinflussen. Das ist nicht immer der Fall.
Thomas Stucki

8021 Zürich
